Es wallt und schwillt

Hans-Jörg Dürr (und Dieter Funk) im Kunsthaus

Eigentlich ist Hans-Jörg Dürr ein Maler und Zeichner der lebensoffenen Art. Seine Malhand schweift gerne aus, füllt die Bildräume mit bauchigen und luftigen Konturen, die nach Selbstgenuss streben und gleichsam eine natürliche Harmonie zwischen Rundung und Gerade, Stillstand und Bewegung in sich tragen. Aber damit will sich Dürr, 39, nicht bescheiden, will ganz anderen Kräften Geltung verschaffen: dunklen, schwierigen, bizarren Strebungen und Gefährdungen. So bringt er den leichten, immer ein wenig aparten Formenfluss in Verwirrung, lässt ihn strudeln, zwingt schwere, sperrige Anteile hinein.

Das ist nicht einfach, weil Dürr immer auf die dickschwarze Aufbau-Linie und insofern auf gliedernde Struktur setzt. Mit Anstrengungen bricht er das lockere Fließgleichgewicht des Liniengefüges auf, weitet und deformiert es. Viele Bilder in zwei Kunsthaus-Etagen lassen schrumpelige Schädel mit Schlitz- und eingedunkelten Rundaugen, bleckenden Gebissen und einer skurrilen Hinfälligkeit Abgrenzungskämpfe fuhren. Man mag an Totenköpfe, die wieder ins Leben geraten sind, denken. Nähe und Distanz verschwimmen.

In Ensembles mit aneinandergefügten Kleinblättern bilden sich schematische Figurationen, oft mit totemistischen Anklängen. Der Ex-Graphiker Dürr ist und bleibt letztlich Zeichner, weswegen auch die Malbilder aus Linie und Schattierung gebaut sind und eine verhaltene Dekorativität vertuschen wollen. Das schadet nichts...

Ulrich Wanner

Nürnberger Zeitung, 8.5.1987